Dienstag 26. Juli 05 Trechtingshausen – Bingen – Alzey – Worms – Speyer – Ludwigshafen – Altrip
Fahrzeit 7:00 h – Tages-km 106 – Gesamt-km 348 – Temperatur 17-35°C – erkletterte Höhenmeter 753 m
Wieder einmal eine sehr unruhige Nacht, denn das Echo hier im engen Rheintal verstärkt auch noch alle Geräusche. Es ist nicht der Individualverkehr auf den beiden Bundesstraßen B8 und B9 links und rechts des Rheines sondern vielmehr die vorbeieilenden Personen- und Güterzüge und vor allen Dingen die stromauf fahrenden Lastkähne; sie reißen einen immer wieder aus dem Tiefschlaf. (also Ohropax wie gehabt) Wie gewöhnlich stehe ich um halb sechs auf, mache meine Morgentoilette, frühstücke und packe meine Sachen. Das dauert heute nur noch 1 1/2 Stunden, – die Routine macht’s, – dann sitze ich schon wieder auf dem Sattel, fahre am Mäuseturm vorbei und bin bald schon in Bingen, wo ich kurzerhand in Richtung Alzey abbiege, weil ich mich intuitiv für das Rheinhessische Hügelland entschieden habe.
Fast hatte ich meine Entscheidung schon bereut, denn der Anstieg aus dem Rheintal hier herauf, auch wenn ich nur 250 Meter an Höhe überwinden muss, ist halt doch anstrengend genug, besonders, weil ich die Windungen der Straße vor mir sehe und weiß, da oben muss ich hinauf. Nach zahlreichen Berg- und Talfahrten fahre ich durch Alzey und als hätte ich absichtlich diesen Weg eingeschlagen stehe ich nun plötzlich in Dintesheim vor dem Weingut der befreundeten Familie Rauh. Etwas zögerlich betrete ich den Hof aber um so herzlicher ist die Begrüßung. Gunter Rauh und seine Frau lassen es sich nicht nehmen, mir eine kräftige Brotzeit anzubieten, dabei fehlt natürlich nicht ein guter Tropfen aus eigenem Anbau. Zwei Stunden bei den Rauhs sind beim Erzählen wie im Flug vergangen. Und obwohl meine Packtaschen schon prall gefüllt sind, hat Gunter mir noch eine Flasche und etwas Wegzehrung zugesteckt.
Eigentlich wollte ich jetzt weiter in südöstlicher Richtung und erst bei Speyer wieder an den Rhein gelangen, weil ich das Industriegebiet um Ludwigshafen herum möglichst umgehen wollte. Doch folge ich einem guten Rat und biege nach Osten ab und gelange so über eine stillgelegte aber staubige Bahnstrecke mitten in das Zentrum vom Worms, der Stadt, wo das Nibelungenlied seinen Anfang nahm. Einem der drei königlichen Brüder dieses Heldenepos verdanke ich ja meinen „germanischen Vornamen“.
Unter dem Aspekt der Pilgerreise betrete ich zum ersten Mal auf meiner Fahrt ein Gotteshaus; heute am 3. Tag meiner Reise stehe ich hier an der Schwelle eines altehrwürdigen Domes, eine spätromanisches Bauwerk in rotem Sandstein von erstaunlicher Einheitlichkeit, vollendeter Schönheit und Harmonie errichtet.
Der Rhein-Radweg zwischen Worms und Speyer heißt auch Domroute, weil er die beiden Bischofskirchen miteinander verbindet jedoch bleibt mir die Passage durch Ludwigshafen (BASF-Werke) nicht erspart. Laut und Turbulent geht es hier zu und ich bin froh, dass ich nach einer Stunde wieder in der stillen Rheinaue bin. Unweit südlich des Großstadttrubels finde ich in Altrip auch den Campingplatz mit dem verheißungsvollen Namen „Blaue Adria“. Eine Holländerin, alleine mit dem Rad unterwegs, ist kurz nach mir angekommen und stellt neben mir ihr Zelt auf. Sie ist die Frau eines ehemaligen Rheinschiffers und kennt jede Stelle des Flusses von Rheinfelden bis Hoek van Holland kilometergenau. So weiß sie, dass Basel am Schifffahrtskilometer 166 liegt und wir hier etwa bei 410 sind, also habe ich nur noch 244 km bis Basel zu meinem Sohn Nicolaj. Wenn auch der Radweg etwas länger sein wird, so bin ich doch recht zuversichtlich, dass ich diese Strecke gewiss in zwei Tagen bewältigen kann. Ich werde Morgen dem Nico eine SMS nach Basel schicken, ob ich bei ihm auch schon einen Tag früher ankommen darf.