Montag – 14.07.2003
von Santo Domingo de la Cazada nach Tardajos (noch 599 km bis Santiago)
Hier geht es zunächst 500 Höhenmeter bergauf zu die Montes de Oca. (oac,oac … eine Lautmalerei, so scheint es mir) Wir überqueren die Brücke und es geht hinauf durch das Tal des Rio Oca, – Oca bedeutet auf spanisch Gans also Gänseberge, – das Profil der Berge erinnert deutlich an Gänse, und das Gurgeln des Flüsschens Oca lässt ziemlich genau den Gänselaut erkennen.
Mit Marcel zusammen winde ich mich mal wieder hoch zum Pass, keuchend und schwitzend, fast geht mir die Puste aus. Während wir so gemeinsam nebeneinander hochsteigen, beginne ich eine Unterhaltung mit ihm: „Du kennst doch Jakobsmuscheln“?; frage ich ihn, „hm“ antwortet er mir und ich merke gleich das er die Pilgermuschel und nicht diese herrliche Delikatesse meint, an die ich denke. „Ich meine das Gericht, das es auch bei euch in Belgien gibt, vorzugsweise in guten Restaurants, setze ich erläuternd meine Rede fort. „Ah ja“, sagt er mir nur knapp, auch ein wenig außer Atem von der Anstrengung den Berg hinauf. „Ich bin Spezialist für deren Zubereitung“, prahle ich ein bisschen, soll ich dir erklären, wie ich das anstelle? Ja, sagt er mir immer noch etwas wortkarg. Und ich beginne, mit der Beschreibung in leuchtenden Farben
Angefangenen mit einer Beize aus Wein, Essig, Zitrone, Knoblauch, Zwiebel und Petersilie, das alles muss zunächst zum Kochen gebracht werden. Dann wird alles fein verquirlt und mit Ei und Butter in einer „Aubainmarie“ (Wasserbad) ganz allmählich erwärmt, bis die Sauße eine gut steife Konsistenz erhält. Angereichert jetzt noch mit etwas Sud aus den Jakobsmuscheln sowie Salz, Pfeffer, Muskat und Estragon, ist der erste Teil beendet. Die Muscheln sieden etwa 5 Minuten in heißem Wasser, die dann auf die Muschelschalen verteilt, mit der hergestellten Sauce überdeckt werden. Danach streut man über noch etwas Paniermehl und gibt oben drauf ein paar Butterflöckchen. Nach 10 Minuten im Ofen ist die herrliche Vorspeise fertig, die dann mit einem guten Glas Riesling serviert wird.
„Würde dir das schmecken“?, frage ich ihn noch. Er nickt und lacht dabei. Während meiner Beschreibung haben wir fast unmerklich den Pass erklommen. Ergänzend sage ich ihm noch, sollten wir uns jemals wieder sehen, dann werde ich euch bestimmt mal Jakobsmuscheln zubereiten.
Heute, am 22.02.04 kann ich meinem Bericht hinzufügen, dass ich Valentin und Marcel wiedergesehen und ihnen dabei meine Jakobsmuscheln serviert habe.
Oben beim Puerto de la Pedraja (piedra = Stein?) angekommen sind wir immerhin schon auf 1150m Höhe. Das ist für heute die höchste Erhebung. In Santovenia de Oca ( santo = heiliger, venir = kommen ?) einem kleinen Dorf etwas abseits der lebhaften Nationalstraße machen wir zur Mittagspause Rast. Und laben uns an dem herrlich kühlen Wasser aus dem Dorfbrunnen.
Wir machen uns wieder auf den Weg und erreichen in schneller fahrt die Provinzhauptstadt Burgos. Eigentlich wollte ich noch am Kloster San Millan de Juarros vorbei, aber ich war wieder einmal ganz hinten und wollte meinen Trupp nicht verlieren. So sitzen wir hier nun bei einer Tasse Kaffee vor der Kathedrale, es ist Mittagspause und der Dom ist leider geschlossen. Da jedoch alle früher schon einmal die Kirche besichtigt haben, beschließen wir, gleich weiter zu fahren.
Nun haben wir die Meseta erreicht, die um 800m über dem Meer gelegene Hochebene nur leicht hügelig und ohne große Schwierigkeiten zu bewältigen, aber es ist sehr, sehr heiß. Das wird sich nun so auf ça 250 km länge hinziehen, etwa von Burgos bis Astorga. Die steilen Berge sind bereits weit hinter mir, fast habe ich schon vergessen, wie beschwerlich sie für mich waren. Nach ça einer Stunde erreichen wir am frühen Nachmittag Tardajos, (tarda = spät, verzögert, träge?) wo wir beabsichtigen zu übernachten. In der Herberge ist jedoch kein Platz mehr für Radpilger, weshalb wir für 10 Euro; pro Person in einer Habitation eine Bleibe finden und hier auch zu Abend essen. Es beginnt zu regnen die Tageswäsche will nicht trocken werden; immer wieder kommen neue Schauer herunter. Als ich an diesem Abend zum letzten Mal draußen nach der Wäsche sehe, winkt mir ein Mann mit der eindeutigen südländischen Geste zu, ich solle zu ihm kommen, – in Deutschland würde es bedeuten bleib weg; – er dagegen lädt mich ein, seinen Wein zu probieren. Wein aus dem Glasballon mit einem langen Ausguss. Etwas misstrauisch bin ich zunächst, ob er mich wohl auf die Probe stellen will, wie ich mich dabei anstelle? Ich probiere, und in weitem Bogen, wie gekonnt genieße ich den kühlen Wein. Er ist stolz weil ich gebührend seine gute Qualität lobe und darauf zeigt mir Paco schließlich noch seinen ganzen Reichtum. Ausgestattet mit einer Kerze geht es in einen in den Fels gehauene Höhle. Über schmale, glitschige Stufen hinab liegt nun ein mittelgroßer Weinkeller vor uns liegt, stolz zeigt er mir die Erträge seiner Arbeit und erklärt sie mir. Wir sind so etwas wie Freunde geworden, denn er sagt mir, wenn ich das nächste Mal nach Tardajos komme, brauche ich nur noch nach Paco zu fragen, er sei immer für mich da. Auch so etwas erfährt man auf dem Camino. Diese Nacht schlafe ich mit Hans auf einem Zimmer.